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Ferrari in der Krise: Versagen auf der ganzen Linie

Kolumne von Mathias Brunner
Formel 1
Sinnbild für das Versagen von Ferrari: Sebastian Vettel in Monza ohne Bremsen

Sinnbild für das Versagen von Ferrari: Sebastian Vettel in Monza ohne Bremsen

​Seit 2007 und Kimi Räikkönen ist Ferrari ohne Fahrer-WM-Titel, 2008 wurde der letzte Konstrukteurs-Pokal gewonnen. Die Italiener versagen seit Jahren auf der ganzen Linie, Enzo Ferrari würde sich im Grab umdrehen.

Da wurde es ganz leise im Saal der 500, dem Prunksaal des mehr als 700 Jahre alten Palazzo Vecchio von Florenz: Im Rahmen der Ferrari-Feier zu 1000 Formel-1-WM-Einsätzen ergriff der in New York geborene Ferrari-Präsident John Elkann (44) das Wort, um über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Marke zu sprechen.

Nach vielen schmeichelnden Worten kam die in Watte verpackte Wahrheit: «2020 ist für uns eine schwierige Saison.» Das ist reichlich untertrieben. Ferrari liegt im Konstrukteurspokal auf dem sechsten Zwischenrang. Noch schlechter lief es nur vor vierzig Jahren: 1980, nur ein Jahr nach dem WM-Titel von Jody Scheckter, stürzte Ferrari auf den zehnten Platz im Konstrukteurs-Pokal ab – der Weltmeisterwagen wurde kaum verbessert, weil sich die Italiener punkto Motorleistung und Standfestigkeit für überlegen hielten. Leider vergassen sie dabei, dass sich mit dem überholten Fahrzeugkonzept samt des viel zu breit bauenden Zwölfzylindermotors kein gescheites Flügelauto bauen liess.

Zurück in die Gegenwart. John Elkann sprach der Ferrari-Mannschaft Mut zu: «Ich bin tief davon überzeugt, dass wir die richtigen Mitarbeiter haben, um mit Fähigkeit, Kompetenz und Hingabe wieder auf die Siegerstrasse zu kommen.» Schöne Worte. Was wirklich Sache ist, hat er bei der Feierstunde aussen vor gelassen, aber in einem Interview festgehalten: «Heute legen wir das Fundament, um 2022, wenn sich das Reglement ändert, auf die Siegerstrasse zurückzufinden.»

Ausgerechnet beim 1000. Grand Prix mussten die treuen Tifosi leiden, als sie beim Toskana-GP in Mugello sahen, wie der hervorragend gestartete Charles Leclerc von Rang 3 einen Platz um den anderen einbüsste, mit nachlassenden Reifen an einem langsamen Auto. Am Ende wurde der zweifache GP-Sieger aus Monaco nur Achter, der vierfache Weltmeister Sebastian Vettel musste sich mit Rang 10 begnügen. Eine Woche zuvor rang Charles Leclerc so lange mit dem Auto, bis er von der Fahrbahn abkam. Im Wagen von Sebastian Vettel hatten sich die Bremsen abgemeldet. Mangelnde Standfestigkeit, schlechte Aerodynamik, schwacher Motor, zu hoher Reifenverschleiss, jämmerliche Fahrzeugbalance – die Sorgenliste ist ziemlich lang.

Ferrari-CEO Louis Camilleri: «Wir stecken in einem Loch aus verschiedenen Gründen, aber was immer ich nun dazu sagen, wird wie Ausreden klingen. Und ich mag keine Ausreden.»

Fakt ist: Ferrari hat das grundlegende Design des 2020er Autos von Sebastian Vettel und Charles Leclerc versemmelt. Die ganzen Entwicklungen, die nun schrittweise an den Wagen kommen, lösen das Grundproblem nicht. Es ist, als würde ein offener Beinbruch mit einem Pflaster versorgt.

Der entscheidende Fehler 2020

Ferrari baute das Konzept des Modells SF1000 auf der überragenden Motorleistung von 2018 und 2019 auf. Aber seit die Techniker des Autosport-Weltverbands FIA Schlupflöscher im Reglement geschlossen und Tricksereien unterbunden haben, hat sich der grösste Vorteil von Ferrari in Luft aufgelöst. Ferrari konnte nach dem Urteil der FIA nicht mehr reagieren.

Seit Jahren war davon die Rede, dass Ferrari beim bärenstarken 1,6-Liter-V6-Turbomotor mindestens im Graubereich des Erlaubten arbeite – in Form eines cleveren Systems, die Benzinfluss-Regelung zu umgehen, um kurzfristig mehr Leistung aus der Antriebseinheit zu schöpfen. Ferrari-Teamchef Mattia Binotto bestand lange darauf, dass der Motor zu jeder Zeit reglementskonform war, ungeachtet zahlreicher Überprüfungen der FIA. Man habe am Betrieb des Motors nie etwas geändert. Ungläubiges Kopfschütteln bei der Konkurrenz.

Erst im Juli 2020 gab Teamchef Binotto erstmals zu: «Seit vergangenem Jahr haben zahlreiche technische Direktiven der FIA einige Bereiche geklärt. Wir mussten uns diesen Direktiven anpassen. So wie Andere auch. Aber aus Sicht von Ferrari bedeuteten diese Anpassungen, dass wir einen Teil Leistung verloren haben.»

Die Coronakrise führt dazu, dass sich die Ferrari-Misere fortsetzen wird: Aus Spargründen wird 2021 mit dem gleichen Chassis weitergefahren, die Entwicklungen sind stark eingeschränkt. Einfach gesagt – wer 2020 ein schlechtes Auto hat, wird auch 2021 keine Rennen gewinnen.

Ferrari fällt auch auf den Kopf, dass sich Mittelfeldrennställe wie Racing Point, McLaren, Renault und AlphaTauri markant gesteigert haben. Umso tiefer der Absturz von Ferrari.

Aber es liegt nicht nur am Motor: Wenn die Fahrer der Ferrari-Kunden Alfa Romeo und Haas dem Werkspiloten-Duo Leclerc und Vettel auf der Nase herumtanzen, sagt das alles über die Qualitäten des 2020er Chassis aus Maranello.

Ferrari-Teamchef auf dem Schleudersitz

Kein Teamchef steht so unter Erfolgsdruck wie der Steuermann von Ferrari: Der berühmteste Rennstall der Welt ist zum Erfolg verdammt, und gemäss des Beispiels aus dem Fussball muss meist der Trainer gehen, wenn die Mannschaft einen Mist kickt.

Mattia Binottos Vorgänger Maurizio Arrivabene musste wegen der verlorenen Titel 2017 und 2018 von Sebastian Vettel gegen Lewis Hamilton gehen. Besonders bitter – Ferrari schien zu Saisonbeginn 2018 und bis in den Sommer hinein das bessere Fahrzeug zu besitzen. Fahrfehler von Sebastian Vettel, Strategiepatzer von Ferrari, vor allem jedoch eine effizientere Entwicklung bei Mercedes-Benz führten dazu, dass die Silberpfeile ab Sommer mehr Erfolg hatten.

Aber das verlorene Titelrennen allein war es nicht. Auch der Führungsstil von Arrivabene stand auf den Prüfstand. Es ist davon die Rede, dass er zu viel ganz alleine entscheiden wollte, das habe bei seinen Mitarbeitern zu Murren geführt.

Arrivabene machte sich bei den Medien nicht beliebt: Der einstige Marketing-Experte des Tabakkonzerns Philip Morris war der einzige Teamchef, der über FIA-Medienrunden und einige kurze TV-Interviews hinaus für Berichterstatter nicht weiter zugänglich war. Keine besonders weise Vorgehensweise, wenn man am Ruder des berühmtesten Rennstalls der Welt steht. Ferrari errichtet eine Mauer des Schweigens, an welcher selbst italienische Journalisten zerschellten.

Arrivabenes Vorgänger Marco Mattiacci war der klassische Quereinsteiger, er kam als erfolgreicher Ferrari-Chef Nordamerika zur Formel 1. Doch der Römer trat ein schweres Erbe an. Der Ferrari F14T, der ihm Domenicali überlassen hatte, war unheilbar krank. Nach nur einem halben Jahr war Mattiacci wieder weg. Niemand weinte dem von Fachwissen weitgehend unbelasteten Sonnenbrillen-Fan eine Träne nach.

Dem kommenden Formel-1-CEO Stefano Domenicali davor wurde zum als Ferrari-Teamchef zum Verhängnis, dass Fernando Alonso es in fünf Jahren Ferrari nicht schaffte, Weltmeister zu werden. Am Spanier lag es nicht – die Ergebnisse seiner Stallgefährten zeigten, wie gut der Ferrari wirklich war. Beim WM-Finale 2010 richtete der Ferrari-Kommandostand das Rennen auf den vermeintlich grössten Titelrivalen aus, Mark Webber. Alonso versauerte im Verkehr, Sebastian Vettel wurde Weltmeister. 2012 musste er sich beim Finale von Brasilien erneut Vettel geschlagen geben. Ferrari, Alonso und Domenicali verloren in jenen zwei Jahren wegen insgesamt nur zwölf WM-Punkten zwei Titel. Mit ein wenig Glück und etwas mehr Intelligenz wäre die Geschichte anders geschrieben worden.

Falsche Unternehmens-Strategie

Immer wieder wird in Maranello vollmundig davon gesprochen, das neue Dream-Team aufzubauen, so wie in den 90er Jahren mit Michael Schumacher als Fahrer, Jean Todt als Teamchef, Ross Brawn als Technikdirektor, Rory Byrne als Chefdesigner. Aber die Situation heute ist mit damals nicht zu vergleichen. Jeder der genannten Männer war in seinem Job absolut herausragend, und diese Ausnahmekönner konnten über Jahre eine Siegermaschine aufbauen.

Einige der besten Fachleute der Branche jahrelang Seite an Seite in Ruhe arbeiten zu lassen, das ist eines der Erfolgsrezepte für die grossen Siegesserien in der Formel 1: Von McLaren, von Williams, von Ferrari, von Red Bull Racing, von Mercedes-Benz.

Bei Ferrari ist das Element der Konstanz komplett verloren gegangen. In den letzten Jahren ist bei Ferrari vielmehr kein Stein auf dem anderen geblieben. Die komplette Führungsriege ist mehrfach ausgetauscht worden.

Viele langjährige Mitarbeiter mussten ihren Hut nehmen: Teamchef Stefano Domenicali im Frühling 2014, Motorenchef Luca Marmorini im Sommer danach, Präsident Luca Montezemolo im Spätsommer, um nur die wichtigsten drei zu nennen, dann – nach nur sieben Monaten – Teamchef Marco Mattiacci im Herbst, ersetzt durch Maurizio Arrivabene. Im Dezember 2014 wurde Chefdesigner Nikolas Tombazis in die Wüste geschickt. Ihm wurde vorgeworfen, jahrelang zu konservativ entwickelt zu haben. Auch Chefingenieur Pat Fry musste seinen Schreibtisch räumen.

Fiat/Chrysler-Chef Sergio Marchionne, der den langjährigen Ferrari-Präsidenten Montezemolo entsorgt hatte, war vom Gedanken beseelt, ein neues Dream-Team aus italienischen Fachkräften aufzubauen. Er pfuschte Technikchef James Allison so lange ins Handwerk, bis der begnadete Ingenieur das Land verliess und heute technischer Leiter von Mercedes-Benz ist.

Marchionne setzte ganz auf Mattia Binotto, geboren am 3. November 1969 in Lausanne, Absolvent des Polytechnikums Lausanne für Mechanik, später weitere Ausbildung in Modena zum Fahrzeugingenieur, seit 1995 in Maranello tätig. Zunächst als Motorfachmann im Testteam, ab 1997 in der Rennmannschaft.

2004 und 2005 engagierte sich Binotto als Renningenieur und arbeitete am Wagen von Rubens Barrichello, stieg dann zum leitenden Ingenieur auf, 2009 zum Chef der Motorenentwicklung. Im Oktober 2013 eine weitere Beförderung: zum stellvertretenden Motorenchef, 2014 erhielt Binotto dann den Posten des in Ungnade gefallenen Luca Marmorini.

Ende Juli 2014 verliess Luca Marmorini Ferrari – dem Toskaner wurde zur Last gelegt, dass die der erste Turbohybrid-Motor aus Maranello kein Rennpferd geworden sei, sondern ein müder Ackergaul. Die Antriebseinheit war zu schwer, hatte zu wenig Leistung und galt vom Aufbauprinzip der Zusatzaggregate (Ladergrösse und Verdichter-Anordnung) als misslungen.

Marmorini reagierte verbittert: «Es kursiert die falsche Vorstellung, dass die mangelnde Konkurrenzfähigkeit des Ferrari F14T nur der Antriebseinheit anzulasten sei. Als hätten wir ausgerechnet in einer Firma wie Ferrari vergessen, wie man Motoren baut! Eine gewisse Teilschuld lasse ich mir aufbürden, aber ich lasse mir nicht einreden, dass die Fachkräfte in Maranello ihr Handwerk verlernt hätten, wie man mit Turbos umgeht, mit Hybridtechnik und so weiter.»

«Die Wahrheit ist: Zusammen mit meinen Mitarbeitern habe ich eine Antriebseinheit gebaut nach gewissen Dimensionen, um genau zu sein – einen kleineren Motor als Mercedes und Renault, und dies auf Wunsch des Fahrzeugdesigners, Herrn Tombazis.»

«Mir wurde gesagt: ‚Wir wollen eine sehr kompakte Antriebseinheit, mit möglichst kleinen Kühlern. Wir werden das abzusehende Power-Manko mit aerodynamischen Lösungen mehr als wettmachen.’ Und fast genau so kam es: Wir hatten weniger Leistung, aber leider gab es das Plus an Aerodynamik nie.»

«Das hätte ich gerne Marco Mattiacci erklärt, als er auf den Posten von Rennchef Stefano Domenicali berufen wurde. Aber mit Mattiacci habe ich in drei Monaten vier Worte gewechselt, wir haben uns zwei Mal gesehen – einmal, als er mich begrüsst hat, und einmal, als er mir das Kündigungsschreiben überreichte.»

Schuld haben immer Andere

Viele Formel-1-Jahre von Ferrari wurden von gegenseitigen Vorwürfen geprägt, die Schuld am Misserfolg haben immer Andere. Teamchef Toto Wolff hat bei Dauer-Weltmeister Mercedes-Benz eine strikte «no blame culture» umgesetzt. Der Wiener erklärt: «Der menschliche Verstand ist so strukturiert, dass man jemandem die Schuld gibt, wenn etwas passiert. Das nimmt erst mal den Druck von mir. Ich versuche daher, ruhig zu bleiben, emotional, aber nicht zu aufgeregt.»

«Wenn ein Fehler passiert, dann geht es vielmehr darum, die Ursache des Problems zu klären. Wer letztlich den Fehler begangen hat, ist dabei nicht wichtig. Gegenseitiges Vertrauen im Team ist bei der Aufarbeitung von Fehlern entscheidend. Die Teammitglieder wissen, dass auch ich selber gute und schlechte Momente habe. Aber ich versuche, immer, rational zu bleiben. Nur in diesem Unternehmensklima öffnen sich die Leute und sagen: ‘Ich denke, wir hätten dies oder das besser machen können.’ Das ist sehr wichtig, damit das Team Fortschritte machen kann.»

Ein zweiter Leitsatz von Wolff: Kein Ego darf grösser sein als der Rennstall. «Ego kann ein sehr starker Antrieb sein – aber nur bis zu einem gewissen Niveau. Ich habe schon grosse Egos gesehen, die gescheitert sind. Die meisten sind gescheitert, weil sie nicht in der Lage zur Selbstreflexion waren. Sie glaubten, dass sie die Grössten sind – ob in der Formel 1 oder auch woanders. Das ist in meinen Augen nicht förderlich, es ist vielmehr wichtig, sich immer selbst zu hinterfragen.»

Scharfe Kritik von Flavio Briatore

Flavio Briatore ist seit Jahren einer der härtesten Kritiker von Ferrari. Einige unterstellen ihm verletzten Stolz – weil der Ruf aus Maranello nie kam. Andere sind der Ansicht, der Weltmeister-Macher von Michael Schumacher bei Benetton und von Fernando Alonso bei Renault traue sich einfach zu sagen, was andere nur munkeln.

Der 70jährige Erfolgsunternehmer ist überzeugt: «Es geht nicht darum, einen Mann zu holen, der alles ändert. Es geht darum, die Mentalität zu ändern. Ferrari ist wieder konkurrenzfähig geworden, als man von Benetton sieben oder acht Spitzentechniker geholt hat, Leute wie Ross Brawn und Rory Byrne. Das heutige Ferrari kann sich nicht von heute auf morgen ändern. Man muss zunächst einmal die Probleme verstehen, bevor man anfangen kann, sie zu lösen. Man muss ergründen, wie es sein kann, dass immer wieder die Aerodynamik Schwierigkeiten macht. Obschon Ferrari einen modernisierten Windkanal hat.»

«Sie haben einen Motor in einer Art und Weise eingesetzt, welcher die FIA den Riegel geschoben hat. Sie mussten das Triebwerk umbauen. Und dies in einer Formel 1, in welcher es auf vier Kilometer langen Rennstrecken am Ende um Zehntelsekunden geht. Wenn du da vorne liegen willst, dann muss wirklich alles passen – Fahrer, die sich mit freiem Kopf einbringen können, ein Auto, das funktioniert, eine gute Aerodynamik, denn die ist in der modernen Königsklasse am wichtigsten.»

«Es ist schwierig, in der Formel 1 zu gewinnen. Ferrari braucht keine neuen Chefs, das hatten sie schon zur Genüge. Sie müssen internationaler werden. Sie müssen endlich wieder ein Technikzentrum in England aufmachen. Wenn du Champagner herstellen willst, ist es gescheiter, in Frankreich zu sein. Wenn du Schinken machen willst, brauchst du einen Sitz in Parma. Aber wenn die Formel 1 machst, dann musst du eben in England sein.»

«Es ist schwierig, die Leute nach Italien zu holen. Maranello ist kein Wohnort, von dem alle Engländer träumen. In der Formel 1 passieren keine Wunder. Es braucht Kreativität, Einfallsreichtum, begabte Menschen. In England liegen im Umkreis von 60 Kilometern die Werke von acht Rennställen – Maranello ist davon weit entfernt, und dafür bezahlen sie einen Preis.»

Eine Ferrari-Aussenstelle in Grossbritannien böte den Vorteil, auf viele Techniker rückgreifen zu können, die gerne für Ferrari arbeiten möchten, die jedoch (aus familiären oder anderen Gründen) nicht nach Italien ziehen wollen. Genau so, wie es Flavio Briatore richtig sagt. Aber Sergio Marchionne war strikte gegen solche Pläne, und Mattia Binotto will davon auch nichts wissen.

Dabei klappte das früher durchaus: McLaren-Designer John Barnard erhielt zwei Millionen Dollar Jahresgage (damals wurde kein Techniker besser bezahlt) und führte ab 1987 ein Design-Büro in England, das «Ferrari Guildford Technical Office», kurz Ferrari GTO. Dort heckte er unter anderem das erste halbautomatische Getriebe für Ferrari aus, wenn der Fahrer mit einer Wippe hinterm Lenkrad schaltet und nicht mehr mit dem klassischen Schaltknauf.

Vor kurzem meinte Piero Ferrari, Sohn des legendären Firmengründers Enzo Ferrari, gegenüber meinem italienischen Kollegen Leo Turrini im hervorragenden Blog «Profondo Rosso»: «Ich war es, der meinen Vater 1986 überredet hat, den Engländer John Barnard zu engagieren. Ich glaubte, wir brauchen ein Superhirn aus dem Ausland. Aber Barnard hat sich nie in unsere Kultur einpassen können. Ich fand das den grössten Fehler meiner Karriere.»

Ralf Schumacher ist anderer Ansicht, der sechsfache GP-Sieger und heutige Formel-1-Experte von Sky ist bei diesem Thema eher auf der Linie von Flavio Briatore, wenn er sagt: «Es war der Wunsch des verstorbenen Ferrari-Präsidenten Sergio Marchionne, dass Italiener bei Ferrari das Sagen haben müssen. Diese Ansicht halte ich für romantisch, aber so funktioniert das in der Realität nicht. Die Formel 1 ist international. Die entscheidende Frage für mich lautet: Ist Mattia Binotto bereit, von aussen Leute anzuwerben, um Herr der Lage zu werden. Wenn nicht, dann ist er der Falsche auf dieser Position.»

Der Münchner Christian Danner, Formel-1-Fachmann bei RTL, sagt: «Ferrari ist im Mittelfeld verschwunden. Sie sind nicht einmal mehr an der Spitze des Mittelfelds, sondern eher an der Spitze des Schwanzes. Damit wird es bei Ferrari das grosse Stühlerücken geben. Denn irgendwann ist Schluss mit lustig. Es muss etwas passieren, auch wenn das unter Umständen technisch keine Hilfe ist, wenn Köpfe rollen. Ferrari sucht immer die Schuld bei den Fahrern oder den Umständen. Man sollte sich lieber mal an die eigene Nase fassen. Die Piloten können aus dem Auto auch nur das rausholen, was es hergibt. Manchmal habe ich den Eindruck – sie wissen bei Ferrari eigentlich nicht, was sie da genau machen.»

Die Ferrari-Teamchefs

Seit 2019: Mattia Binotto
2014: Maurizio Arrivabene
2014: Marco Mattiacci
2007–2014: Stefano Domenicali
1993–2007: Jean Todt
1992/1993: Sante Ghedini
1991: Claudio Lombardi
1989–1991: Cesare Fiorio
1978–1988: Marco Piccinini
1977: Robert Nosetto
1976: Daniele Audetto
1976: Guido Rosani
1974/1975: Luca Montezemolo
1973: Sandro Colombo
1971/1972: Peter Schetty
1968–1970: Franco Gozzi
1967: Franco Lini
1962–1966: Eugenio Dragoni
1958–1961: Romolo Tavoni
1957: Mino Amorotti
1956: Eraldo Sculati
1952–1955: Nello Ugolini
1947–1951: Federico Giberti
1935–1940: Nello Ugolini
1934: Federico Giberti
1932/1933: Mario Lolli
1930/1931: Saracco Ferrari

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Siehe auch

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